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Mensch vs. Maschine: Welche Aufgaben KI besser erledigt und wo Menschen überlegen bleiben

  • Autorenbild: Sebastian Bauer
    Sebastian Bauer
  • 2. Nov.
  • 4 Min. Lesezeit
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Einleitung: Nicht entweder–oder, sondern besser–gemeinsam

Die produktivsten Teams setzen heute nicht auf Mensch oder Maschine, sondern auf Mensch mit Maschine. KI ist in bestimmten Aufgabenbereichen bereits überlegen (Tempo, Mustererkennung, Skalierung), während Menschen in anderen Feldern weiterhin unschlagbar bleiben (Urteilsvermögen, Werte, Kontext, Kreativität mit Sinn & Zweck). Dieser Beitrag ordnet beides ein – mit Praxisbeispielen, einer Automatisierungs-Matrix und konkreten „Centaur“-Workflows für den Alltag.


Quellen am Abschnittsende.Quellen: Brynjolfsson & McAfee: The Second Machine Age; Kasparov: Deep Thinking; Autor:innenkollektiv: Human + Machine (Daugherty/Wilson).



1) Wo KI heute besser ist

Typische KI-Stärken

  • Skalierung & Geschwindigkeit: Millionen Datensätze in Sekunden prüfen, 24/7 ohne Ermüdung.

  • Statistische Mustererkennung: Bilder, Sprache, Anomalien, Korrelationen – sehr stabil bei guten Daten.

  • Konsistenz & Reproduzierbarkeit: Gleiche Eingaben → gleiches Verfahren → konstante Qualität.

  • Generative Produktion auf Zuruf: Texte/Code/Design-Entwürfe in hoher Taktzahl; ideal für Erstentwürfe.

  • Optimierung & Vorhersage: Demand-Forecasting, Routenplanung, Preis-/Inventar-Optimierung.


Konkrete Aufgabenbeispiele (gut für KI geeignet)

  • Dokumenten- & Belegverarbeitung: OCR + Klassifikation + Extraktion → Buchhaltung, Compliance.

  • Anomalie-/Betrugserkennung: Monitoring großer Transaktionsströme.

  • Erstkontakt im Support: Triage, FAQ, Formularerfassung, Statusabfragen.

  • Qualitätsprüfung in Bildern/Videos: Oberflächenfehler, Etiketten, Zählungen.

  • Code-Assistenz: Boilerplate, Tests, Refactoring-Vorschläge.

  • Generatives Prototyping: Erste Text-, Bild-, Musik- oder UI-Entwürfe zum Weiterarbeiten.


Grenzen beachten

  • Datenabhängigkeit: „Garbage in → garbage out“.

  • Halluzinationen/Fehlschlüsse: Sprachmodelle können plausibel klingenden Unsinn erzeugen.

  • Domänenwechsel: Außerhalb des Trainingsvertrauten steigt Fehlerrisiko.

  • Erklärbarkeit & Haftung: Blackbox-Risiko in regulierten Domänen.


Quellen: Amodei et al.: Concrete Problems in AI Safety; OpenAI: Arbeiten zu LLM-Halluzinationen; Goodfellow et al.: Deep Learning.



2) Wo Menschen überlegen bleiben

Kernstärken des Menschen

  • Urteilsvermögen & Werteabwägung: Ethik, Fairness, Kontext jenseits reiner Statistik.

  • Transfer & „Dünne Daten“: Schlüsse aus wenigen Beispielen; Analogien, gesunder Menschenverstand.

  • Kreativität mit Absicht: Neuerfindung von Zielen, Story, Strategie – nicht nur Variation.

  • Soziale Intelligenz: Aushandeln, Vertrauen, Motivation, Empathie.

  • Verantwortung & Haftung: Letztentscheidung in risikoreichen Lagen (Medizin, Recht, Sicherheit).


Aufgabenbeispiele (menschenzentriert)

  • Heikle Kommunikation & Verhandlungen mit starken Emotionen/Implikationen.

  • Produktstrategie & Positionierung: Markt-/Werteentscheidungen, Timing, Risiko.

  • Führung & Kulturarbeit: Sinn stiften, Konflikte lösen, Veränderung tragen.

  • Edge Cases & Ausnahmen: Nicht-standardisierte, neuartige Situationen mit unklaren Regeln.


Quellen: Kahneman/Sibony/Sunstein: Noise; Gigerenzer: Risk Savvy; Floridi: The Ethics of AI.



3) Centaur & Cyborg: So arbeiten Mensch & KI zusammen

  • Centaur-Modell: Mensch führt, KI assistiert (Recherche, Entwürfe, Varianten, Kontrolle).

  • Cyborg-Modell: Enge Verzahnung – Aufgaben werden in Mikroschritte zerlegt; KI erledigt Taktarbeit, Mensch kuratiert, priorisiert, finalisiert.


Beispiel-Workflow (Marketing-Asset in 60 Min.)

  1. Briefing (Mensch): Zielgruppe, Nutzenversprechen, Tonfall, Kanäle.

  2. Ideen & Rohentwürfe (KI): 10 Claim-Varianten + Visualideen.

  3. Kuratieren (Mensch): 2–3 Favoriten wählen, Anforderungen schärfen.

  4. Verfeinern (KI): Headline-Tests, CTA-Varianten, Bildvarianten.

  5. Risiko-/Markencheck (Mensch): Tonalität, Fact-Check, Compliance.

  6. **Freigabe (Mensch) & Monitoring (KI): A/B-Testing, Performance-Alerting.


Quellen: Kasparov: Deep Thinking (Centaurs); Davenport & Ronanki: AI in Practice.



4) Die Automatisierungs-Matrix (Entscheidungslogik)

Bewerte jede Tätigkeit entlang von 3 Achsen:

  1. Stakes (Risikogewicht): Wie gravierend sind Fehler?

  2. Variabilität/Neuheit: Wie oft weicht der Fall vom Standard ab?

  3. Datenreife: Gibt es genug saubere Daten/Regeln?

Quadrant

Eigenschaften

Empfehlung

A Niedrige Stakes / Niedrige Variabilität

Routine, viel Volumen, klare Regeln

Vollautomatisieren (mit Monitoring)

B Niedrige Stakes / Hohe Variabilität

Kreativ, viele Optionen, reversible Folgen

KI-Co-Pilot (Centaur), Mensch kuratiert

C Hohe Stakes / Niedrige Variabilität

Strikte Vorgaben, Regulierung, Auditpflicht

Teilautomation + 4-Augen-Prinzip

D Hohe Stakes / Hohe Variabilität

Einzelfall-Entscheidung, Ethik/Haftung

Menschenführung, KI nur als Recherche/Entwurf

Quellen: Brynjolfsson/Mitchell/ Rock: Produktivitäts- & Task-Taxonomien; EU AI Act (Risikoklassen).



5) Branchenbeispiele (kurz & konkret)

5.1 Kundenservice

  • KI besser: Triage, FAQ, Status, Priorisierung, Stimmungsanalyse.

  • Mensch besser: Eskalationen, Kulanz, heikle Fälle.

  • Kombi: Bot löst 60–80 % der Standardfälle; Mensch übernimmt „Level-2+“.

Quellen: McKinsey Global Institute: Service-Automation; Forrester: CX & Bots.


5.2 Medizin

  • KI besser: Bilddiagnostik-Screenings (Muster), Triage-Hinweise, Doku-Assistenz.

  • Mensch besser: Diagnose-Synthese, Aufklärung, Therapieentscheid, Verantwortung.

  • Kombi: KI als „zweite Lesung“, Arzt entscheidet.

Quellen: Topol: Deep Medicine; NEJM AI-Studien zu Radiologie/Pathologie.


5.3 Recht/Compliance

  • KI besser: Precedent-Suche, Klauselvergleich, Redlining-Vorschläge.

  • Mensch besser: Auslegung, Verhandlung, Risikoabwägung, Haftung.

  • Kombi: KI macht 1. Wurf, Jurist:in finalisiert.

Quellen: Susskind: Tomorrow’s Lawyers; Stanford CodeX Reports.


5.4 Industrie/Produktion

  • KI besser: Visuelle QC, vorausschauende Wartung, Optimierungsprobleme.

  • Mensch besser: Linienanpassung, Ursache-Wirkung vor Ort, Sicherheitsfreigaben.

  • Kombi: KI meldet Anomalie → Mensch priorisiert & plant Maßnahmen.

Quellen: Industrie 4.0 Praxisstudien; Siemens/ABB Whitepapers.


5.5 Kreativarbeit

  • KI besser: Varianten & Stile, schnelle Prototypen, Ideenbreite.

  • Mensch besser: Konzept, Storybögen, Markenidentität, finale Auswahl.

  • Kombi: KI für Rohfassungen, Mensch für „Taste & Meaning“.

Quellen: Runway/Adobe Berichte zu GenAI in Creative Work; Florida: The Rise of the Creative Class.



6) Qualitäts- & Ethik-Guardrails (unverhandelbar)

  1. Human-in-the-Loop bei hohen Stakes.

  2. Faktencheck & Quellenpflicht für externe Kommunikation.

  3. Bias-Kontrollen & Testsets (Fairness, Demografie, Sprache).

  4. Auditierbarkeit/Protokolle (Prompt, Version, Datenherkunft).

  5. Datenschutz & Betriebsgeheimnisse (Zugriffs- und Löschkonzepte).

  6. Red-Team-Tests (Missbrauch, Jailbreaks, adversarial Inputs).

  7. Fallback-Prozesse bei Ausfällen oder fraglicher Qualität.


Quellen: NIST AI Risk Management Framework; ISO/IEC 23894 (AI Risk); EU AI Act (Governance).



7) Skill-Roadmap: Welche Kompetenzen Teams jetzt brauchen

  • Prompt-Systeme statt Einzelprompts: Templating, Rollen, Output-Formate, Evaluation.

  • RAG & Wissensintegration: Eigene Daten KI-fähig machen (Vektorsuche, Embeddings).

  • Workflow-Orchestrierung: KI in CRM/ERP/ITSM integrieren (Automation, Trigger, Logs).

  • Qualitätssicherung: Metriken (Genauigkeit, Abdeckung, Halluzination, Bias, Latenz, Kosten).

  • Change & Kommunikation: Erwartungsmanagement, Schulungen, Arbeitsdesign.

  • Ethik/Compliance by Design: Checklisten, Freigabepfade, regelmäßige Reviews.


Quellen: HBR: Reskilling for AI; O’Reilly Reports zu LLM Ops/MLOps; ISO-Standards zu AI-QM.



8) Entscheidungs-Checkliste (zum Ausdrucken)

Für jede Aufgabe:

  1. Ziel/KPI klar? (Zeit, Kosten, Qualität, Zufriedenheit)

  2. Stakes? (niedrig/hoch) – Wer verantwortet die finale Entscheidung?

  3. Variabilität? (Standard vs. Einzelfall)

  4. Datenreife? (Menge, Qualität, Rechte)

  5. Prozessreife? (definiert, messbar, auditierbar)

  6. Guardrails? (Bias-Tests, Logging, Fallback, DSGVO)

  7. Pilot planbar? (PoC in 4–8 Wochen; Erfolgskriterien)

  8. Skalierungsplan? (Schulung, Betrieb, Kostenkontrolle)


Quellen: Lean-Startup/PoC-Methoden (Ries); CRISP-DM (Analytics-Prozessmodell).



Fazit

KI nimmt uns nicht die Arbeit weg – sie verändert die Arbeit. Alles, was standardisiert, datenreich, wiederholbar ist, wird KI zunehmend schneller und konsistenter erledigen. Alles, was Sinn, Werte, Kontext, Verantwortung und echte Kreativität braucht, bleibt menschlich – und wird mit KI an der Seite sogar stärker.Der Schlüssel ist, Arbeit neu zuzuschneiden: Maschinen übernehmen Taktarbeit; Menschen definieren Ziele, interpretieren, entscheiden und übernehmen Verantwortung. So entsteht kein Wettkampf, sondern ein Leistungsteam.


Quellen: Brynjolfsson/Mitchell: What Can Machines Learn, and What Does It Mean for Economies?; Kasparov: Human + Machine; NIST AI RMF; EU AI Act.

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